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Grußwort zum Volkstrauertag

12.11.2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die weltweite Corona-Pandemie ist eine unerwartete und gewaltige Herausforderung. Die Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen und Einschränkungen prägen dieses Jahr. Die Pandemie ist eine der größten Herausforderung seit dem Ende des 2. Weltkrieges.

Seit Monaten kommt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben immer wieder ganz oder teilweise zum Stillstand: Ausgangsbeschränkungen, kein Weinfest, kein Herbstfest, geschlossene Gaststätten, Schwimmbäder und Freizeiteinrichtungen, ausgefallene Hochzeits- und Familienfeiern, zu Beginn gar geschlossene Geschäfte. In der Vorweihnachtszeit werden Zusammenkünfte und Adventsfeiern von Freunden und Familien nur eingeschränkt möglich sein.

Auch kirchliche und städtische Veranstaltungen mussten in diesem Jahr abgesagt werden. Damit konnten geschichtlich bedeutsame Jubiläen in Gerolzhofen nicht gefeiert werden: Das 30. Jubiläum der Wiedervereinigung zum Beispiel, ebenso das Ende des 2. Weltkrieges vor 75 Jahren. Es ist aber wichtig, sich zu erinnern.

Am kommenden Sonntag, 15. November 2020, ist Volkstrauertag. An diesem Tag gedenken wir all der Menschen, die durch Krieg und Terror, Gewalt und Diktatur ihr Leben verloren. Wir gedenken auch derer, die wegen ihrer Überzeugung, Religion, Sexualität oder ihrer Herkunft gefoltert, vertrieben oder ermordet wurden. Wir gedenken derer, die wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert galten. Wir gedenken derer, die wegen ihrer Überzeugung Opfer einer Gewaltherrschaft wurden.

Leider wird es heuer aufgrund der Corona-Pandemie keine zentrale Gedenkfeier geben. Umso mehr möchte ich an die Botschaft des Volkstrauertages erinnern: Frieden ist nicht selbstverständlich.

Diese Botschaft ist nach wie vor aktuell, insbesondere auch in Anbetracht der zahlreichen Kriege und Krisenherde auf der ganzen Welt. Die bekanntesten Beispiele sind sicherlich der Nahostkonflikt oder der Bürgerkrieg in Syrien, daneben gibt es auch etliche kriegerische Auseinandersetzungen in Afrika oder nach wie vor in der Ukraine. Zwischen Armenien und Aserbaidschan wurde erst in diesen Tagen eine Waffenruhe vereinbart.

In Deutschland leben wir seit dem Ende des 2. Weltkriegs in Frieden und (zumindest in Westdeutschland auch in) Freiheit, aber noch bis zum Fall der Mauer 1989 gab es die Bedrohung des Kalten Krieges. Spätestens seit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren leben alle Menschen in Deutschland in Frieden und auch in Freiheit.

Vor 75 Jahren endete mit der Kapitulation der Wehrmacht der 2. Weltkrieg. Jahrzehnte lang hat die Kriegsgeneration nicht über die Schrecken dieser schlimmen Zeit gesprochen oder sprechen können. So tief saß dieses Trauma. Umso mehr gilt es, die Erinnerung an den 2. Weltkrieg wach zu halten – nicht verurteilend, sondern aufklärend und mahnend.

Mit dem Überfall auf Polen begann der 2. Weltkrieg am 1. September 1939. Wenige Tage später erklärten Frankreich und Großbritannien Deutschland den Krieg. Es folgten beispiellose Verbrechen gegen die Menschheit, 65 Millionen Menschen starben. Darunter auch Bürgerinnen und Bürger aus Gerolzhofen und Rügshofen.

Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht der 2. Weltkrieg in Europa. Und nach den Abwürfen von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki endete auch in Asien am 2. September 1945 der Krieg.

Noch erinnern sich viele Bürgerinnen und Bürgern an den Krieg, das Kriegsende oder die Zeit danach: Sechs Millionen Menschen in Deutschland sind 80 Jahre oder älter. Diese Frauen und Männer haben die Schrecken des Krieges miterlebt. Viele von ihnen haben geliebte Menschen verloren. Manche Soldaten kamen erst Jahre nach Kriegsende aus Gefangenschaft zurück, zahlreiche kehrten versehrt zurück, körperlich, aber auch seelisch.

Nach wie vor werden bei Geburtstagsbesuchen Geschichten über im Krieg verstorbene oder vermisste Familienmitglieder berichtet. Das sind bewegende Geschichten, auch jetzt noch, 75 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges.

Deutschland hat aus der Vergangenheit gelernt. Wir haben europäische Freundschaften geschlossen, leisten Entwicklungshilfe dort, wo Krisen ent- oder bestehen. Und wir sind mit unseren europäischen Freundschaften und der Zusammenarbeit in der Europäischen Union Vorbild für eine friedliche Welt. Das ist sicherlich die Leistung der politisch Verantwortlichen, aber in besonderem Maße auch die Leistung der Menschen in den Städten und Gemeinden, so wie auch in Gerolzhofen: Menschen, die Freundschaft mit den ehemaligen Feinden geschlossen haben. Und so pflegen wir seit 45 Jahren eine Städtepartnerschaft mit Mamers in Frankreich, seit Jahrzehnten verbinden uns auch Freundschaften mit den Menschen aus unseren Partnerstädten in Ungarn und Italien (neben einer weiteren Städtepartnerschaft mit Rodewisch).

Wenn wir also feststellen dürfen, dass Europa nach den schlimmen Weltkriegen zusammen gewachsen ist, dann waren Gerolzhöfer Bürgerinnen und Bürger aktiv daran beteiligt, dass aus Feinden Freunde wurden. Was für eine Leistung!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

meine Generation hat keinen Krieg in Deutschland erlebt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Aus dem Gedenken und dem Erinnern ergibt sich eine Verantwortung. Lassen Sie uns gemeinsam einstehen gegen Extremismus, Radikalisierung und auch gegen Populismus. Lassen Sie uns eintreten für Demokratie und für Völkerverständigung.
Wir wissen: Frieden ist nicht selbstverständlich.

Und so gedenken wir am Volkstrauertag all der Toten und erinnern uns an die Vergangenheit, um die Zukunft zu gestalten.

Ihr

Thorsten Wozniak
Erster Bürgermeister

 




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